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In Pandemie-Zeiten
Wie aussagekräftig ist eine Reisewarnung noch?
Kriege, Aufstände, Katastrophen: Das waren früher Gründe für eine Reisewarnung der Bundesregierung. Doch seit Corona ist alles anders. Was die neue Unübersichtlichkeit für Reisende bedeutet.
7. Oktober 2020
Wenn es früher eine Reisewarnung für ein Land gab, wussten Urlauber: nichts wie weg von dort und erst recht nicht dahin. Mit der Corona-Pandemie hat sich das geändert: Die Reisewarnung wurde zu einer Art behördlicher Empfehlung. Rasch ausgesprochen, aber im Zweifel auch schnell wieder zurückgenommen, je nach Infektionslage.
Was heißt das für den Urlaub?
„Wenn das Auswärtige Amt früher eine Reisewarnung ausgesprochen hat, war das eine sehr harte Währung“, sagt Ralf Hieke, Vertreter der mittelständischen Reisebüros beim Deutschen Reiseverband. „Jeder wusste, da ist etwas Schwerwiegendes vorgefallen. Das hat eine Maschinerie in Gang gesetzt, Veranstalter und Reisebüros wussten, was zu tun war, und die Kunden fühlten sich gut betreut.“
Krisen, Krieg und Katastrophen
Oft reichte es schon, wenn das Auswärtige Amt lediglich dringend von Reisen abriet – die letzte Dringlichkeitsstufe vor einer Reisewarnung. Schon bei diesem Appell brachten Veranstalter in der Regel ihre Gäste zurück nach Deutschland, Reisen konnten kostenlos storniert werden.
Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie kam es zu einem Novum: Die Bundesregierung sprach eine weltweite Reisewarnung aus. Im Lauf des Sommers wurde diese in Europa zunächst weitgehend aufgehoben. Doch als die Infektionen wieder zunahmen, gab es erneut Reisewarnungen. Trotzdem sagten manche Veranstalter ihre Reisen nicht komplett ab.
Veranstalter setzen sich über Reisewarnungen hinweg
Eine Reisewarnung war nie ein Reiseverbot. Trotzdem sahen sich Veranstalter spätestens dann dazu veranlasst, ihre Pauschalreisen abzusagen und gebührenfreie Stornierungen anzubieten. Die Warnung galt rechtlich als starkes Indiz für ein außergewöhnliches Ereignis, das die Reise erheblich beeinträchtigt.
Genau das ist nicht mehr unbedingt der Fall. Alltours zum Beispiel erklärte nach der neuerlichen Reisewarnung für Mallorca, man lasse den Kunden die Wahl, ob sie weiterhin reisen wollten. Der Kunde kann kostenlos vom Vertrag zurücktreten.
Viele Reisebüros plädieren dafür, dass Veranstalter ihren Kunden künftig die Wahl lassen. Das zeigt die Umfrage eines Branchendienstes unter Vertriebsmitarbeitern. Auch Neubuchungen sollten trotz einer Reisewarnung weiter möglich sein, so die Forderung. Individualreisende können ohnehin weiterhin Urlaub in Regionen machen, für die es eine Reisewarnung gibt – sofern ihnen die Einreise ins Zielland gestattet ist.
Kritik an der Bundesregierung
Die Politik steht in der Kritik, wegen widersprüchlicher Botschaften. Das Hin und Her bei den Reisewarnungen verunsichert die Urlauber: „Die Instabilität in den Empfehlungen hemmt das Reiseverhalten ganz enorm“, sagt Prof. Torsten Kirstges, Tourismusexperte von der Jade Hochschule in Wilhelmshaven.
Zurück zu einer individuellen Bewertung
Für eine Pandemie seien Reisewarnungen letztlich das falsche Instrument, so Kirstges. Ähnlich wie bei Malaria und anderen Infektionskrankheiten könne man künftig in den Reise- und Sicherheitshinweisen auch auf Corona hinweisen.
Foto: Marijan Murat/dpa