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„GroßstadtWILDNIS“
Vom Buch zur Outdoor-Ausstellung
Wer hat sie nicht gesehen, die Aufnahmen von dem Wolf, der kürzlich durch die Innenstadt von Lohne hetzte. Die Aufnahmen eines Passanten, der das Tier mit seinem Handy gefilmt hat, gingen durch die Presse. Während sich der Wolf sichtbar verirrte, haben sich andere Arten in unseren Städten bereits fest etabliert. Das zeigen das Buch „GroßstadtWILDNIS“ und die aktuelle Ausstellung von Sven Meurs.
7. April 2021
Während der Mensch der Tierwelt mit wachsender Urbanisierung immer mehr Raum wegnimmt, zeigen sich manche Arten erstaunlich anpassungsfähig. Jede Stadt bietet ihre eigenen tierischen Besonderheiten. Sven Meurs hat sie alle fotografiert. Berlin beispielsweise gilt schon seit Jahren als unangefochtene Hauptstadt der Wildschweine, hinter dem Stuttgarter Hauptbahnhof leben hunderte Feldhasen und in Stuttgart hat sich eine große Population von Gelbkopfamazonen gebildet. Im Ruhrgebiet lassen sich Uhus finden und in Düsseldorf kann man Eisvögel beobachten. Wer die Hirschbrunft erleben will, fährt am besten nach Hamburg. Zwischen Hochhäusern und Asphalt finden die Tiere Nischen, in denen sie überleben und sich ausbreiten können. Manche Arten werden sogar handzahm, wenn man an die Enten im Park denkt. Warum sollten sie auch mühsam nach Wasserpflanzen und Würmern tauchen, wenn Fressen doch so einfach sein kann? Das schier unerschöpfliche Angebot an Nahrung ist einer der wichtigsten Gründe, warum Tiere in die Städte ziehen. „Füchse zum Beispiel sind Nahrungsopportonisten“, erklärt Meurs. Gemeint sind die Tiere, die sich an die Beute halten, die in kürzester Zeit und mit geringstem Energieaufwand zu fangen ist. Kurzum „Allesfresser“. Grillreste in den Parks oder Essensreste in den Hinterhöfen von Restaurants und Supermärkten bieten ihnen einen reich gedeckten Tisch, wie man in dem Buch lesen kann.
Tiere faszinieren Sven Meurs, Jahrgang 1980, schon seit seiner Kindheit. Sonntags nahm ihn sein Vater mit in den Wald und brachte ihm bei, wie man Tierspuren erkennt und sich unbemerkt an die scheuen Wesen heranpirscht, um sie zu beobachten. Mit 15 bekam er seine erste Kamera geschenkt. So richtig gepackt hat Meurs die Tierfotografie bei einem Aufenthalt auf der Nordseeinsel Amrum, wo er seine Motive im Wattenmeer fand. Bald darauf folgten Reisen nach Tansania oder Mosambik. Doch warum in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nah? Goethes Vers erscheint hier angebracht, denn mit dem Umzug nach Köln, 2004, fand Meurs seine neue Leidenschaft direkt vor der Haustür – die Safari im urbanen Raum. Aus der ersten Begegnung mit einem Fuchs wurde eine Mission. Inzwischen arbeitet Meurs als Fotojournalist, Vortragsreferent, Moderator und Autor. Tag und Nacht ist er unterwegs, um die tierischen Stadtbewohner zu porträtieren. In allen Metropolen Deutschlands hat er die unterschiedlichsten Arten ausfindig gemacht. Dass Sven Meurs bei seinen Aufnahmen mitunter einen Tarnanzug trägt, mag erstaunen, sind die Tiere doch Menschen gewöhnt. „Die Tarnung brauche ich wegen der Menschen“, erklärt der Fotograf, „denn sie sprechen mich sonst an, und fragen, worauf ich mit dem großem Teleobjektiv denn zielen würde. Diese Unruhe vertreibt die Tiere.“
Seine Beobachtungen sind in dem Buch versammelt. Ebenso schildert der Experte, warum Wildtiere in die Städte kommen, wie die verschiedenen Tierarten inmitten der für Menschen gemachten Umwelt leben und wie man sie schützen kann. Seine Absicht ist, die Städter für das Thema zu sensibilisieren und sichtbar zu machen, was fernab unserer Aufmerksamkeit passiert. „Dabei geht es auch um die Frage, wo Tiere heute überhaupt noch Platz finden“, erläutert Meurs.
Um uns die tierischen Nachbarn näher vorzustellen, zeigt der Autor eine Wanderausstellung mit großformatigen Fotografien, die aktuell in Eversten Holz in Oldenburg zu sehen ist. Initiiert wurde die Foto-Schau als Outdoor-Ausstellung vom Landesmuseum Natur und Mensch, das damit auch unabhängig erneuter Schließungen ein attraktives Angebot machen kann. Die Ausstellung zeigt nicht nur Tiere, die man vielleicht in Oldenburg treffen könnte, sondern nimmt die Spaziergängerinnen und Spaziergänger mit auf eine Reise durch alle deutschen Städte. Rund 20 großformatige Bilder sind entlang der Hauptwege auf einzelnen Baugittern montiert und jeweils mit einem erläuternden Text ergänzt, der die Betrachter mit der abgebildeten Art bekannt macht. Einige weitere Aufnahmen sind zudem im Innenhof des Landesmuseums zu sehen. Das Buch ist für die Dauer der Ausstellung im Shop des Landesmuseums erhältlich.
Bislang haben sich die Begriffe „Großstadt“ und „Wildnis“ gegenseitig ausgeschlossen. Hier handelt es sich um einen Ort mit mehr als 100.000 Einwohnern, dort um eine vom Menschen weitgehend unbeeinflusste Landschaft. Nach der Lektüre des Buches verblüfft es jedoch nicht mehr, wenn man im eigenen Garten Spuren wilder Tiere entdecken kann.
Oberes Bild: Halsbandsittich in Heidelberg, Aufnahme Eversten Holz Foto: Birgit Denizel