• Ausstellungsansicht Die Vier Unvergesslichen

    Von Angesicht zu Angesicht

    Das russische Zaren­haus und der Olden­bur­ger Adel laden zur Au­dienz ein

Neue Sonder­aus­stel­lung im Lan­des­mu­seum für Kunst und Kul­tur­ge­schichte.

2. Oktober 2020

Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg
Bild: Jean Laurent Mosnier Bildnis Peter Friedrich Ludwig von Oldenburg um 1797-1799, Foto: Landesmuseum Oldenburg
Es könnte kei­nen bes­se­ren Ort für die Aus­stel­lung geben. Im Prin­zen­pa­lais - dem Ge­bäu­de, das 1821 ei­gens für die bei­den rus­si­schen Prin­zen Alexander und Peter er­rich­tet wur­de - ist sie nun ver­sam­melt, die Pro­mi­nenz des rus­si­schen Za­ren­hau­ses und des Olden­bur­ger Hofes. Prä­sent sind sie in Form ihrer Por­träts, die aus den Ahnen­ga­le­rien meh­re­rer Schlös­ser zu­sam­men­ge­tra­gen wurden.

„Die Olden­bur­ger Dy­nas­tie war da­mals ein wich­ti­ger Pla­yer im eu­ro­päi­schen Spit­zen­adel und mit dem rus­si­schen wie auch skan­di­na­vi­schen Adel eng ver­netzt“, er­läu­tert Matthias Weber vom Bun­des­ins­ti­tut für Kul­tur und Ge­schich­te der Deut­schen im Öst­lichen Eu­ro­pa, kurz BKGE, das als Ko­ope­ra­tions­part­ner an den Vor­be­rei­tun­gen be­tei­ligt war. Wie die Aus­stel­lung zeigt, gin­gen die Be­zie­hun­gen zwi­schen Olden­burg und Russ­land über den po­li­ti­schen und di­plo­ma­ti­schen Rah­men weit hinaus.
Kuratorin Anna Heinze bei der Pressevorbesichtigung
Bild: Kuratorin Anna Heinze bei der Pressevorbesichtigung, Foto: Birgit Denizel
Vier der „Ho­hei­ten“ stan­den sich be­son­ders nah. Das waren Herzog Peter Friedrich Ludwig und seine Ge­mah­lin Her­zo­gin Friederike sowie ihre Schwes­ter Zarin Maria Fjodorowna und deren Ehe­mann Zar Paul I.  "Man be­such­te ein­an­der und führ­te einen re­gen Brief­wech­sel", er­zählt Anna Heinze, Ku­ra­to­rin der Aus­stel­lung. Die Vier waren „See­len­ver­wand­te“, tausch­ten sich über Kunst, Gar­ten­bau und Bo­ta­nik aus. Die zwei Paa­re ein­te zu­dem noch ein be­son­de­res In­te­res­se, näm­lich das an der Phy­siogno­mik. Diese Pseudo-Wis­sen­schaft, nach der von äu­ße­ren Merk­ma­len auf die Cha­rak­ter­ei­gen­schaf­ten eines Men­schen ge­schlos­sen wird, war im 18. Jahr­hun­dert in ganz Eu­ro­pa höchst po­pu­lär. 1782 reis­ten die Vier zu­sam­men nach Zürich, um dort Johann Kaspar Lavater ken­nen­zu­ler­nen. Lavater, ei­gent­lich Pfar­rer, galt als Be­rühmt­heit der Phy­siogno­mik. Von ihm woll­ten sie sich ihre Ge­sich­ter deu­ten lassen. Er war es auch, der das mit­ein­an­der ver­wand­te Quar­tett als „Die vier Un­ver­gess­lichen“ be­zeich­ne­te.
Lavaters Unter­suchun­gen bil­den das zwei­te Ka­pi­tel der Aus­stel­lung. Ori­gi­na­le Bild­bän­de mit un­zäh­li­gen Ge­sich­tern bis hin zu Zeich­nun­gen von Nasen- und Stirn­for­men ver­mit­teln die In­hal­te sei­ner Theo­rie. Bis heute nahe­zu un­be­kannt ist die phy­siog­no­mische Samm­lung, die Lavater nach St. Petersburg sen­de­te, um sie Maria Fjodorowna zum Kauf an­zu­bie­ten. Das Kon­vo­lut um­fass­te über 1.000 nach The­men sor­tier­te Bil­der, die je­weils mit cha­rak­ter­lichen Deu­tun­gen ver­se­hen sind. Maria er­warb die Blät­ter und ließ sie zu vier ge­wich­ti­gen Fo­lian­ten bin­den, von denen zwei in der Aus­stel­lung zu sehen sind.
Physiognomische Studien Fünf Köpfe
Bild: J. H. W. Tischbein - Physiognomische Studien Fünf Köpfe Foto: Landesmuseum Oldenburg
Fasziniert von Lavaters Wis­sen­schaft war auch der Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, von dem das drit­te Ka­pi­tel han­delt. Auch er hatte sich bei Lavater in Zürich auf­ge­hal­ten, be­vor er 1808 in Oldenburg sei­nen Dienst als Hof­ma­ler an­trat. Lavater er­mu­tig­te Tischbein zu Por­trät­stu­dien, Tischbein wie­derum ent­wickel­te die Phy­siog­no­mik auf künst­le­ri­scher Ebene wei­ter und fo­kus­sier­te sich dabei nicht nur auf Cha­rak­ter­dar­stel­lun­gen, son­dern auch auf Mensch-Tier-Analogien.

Über die Po­li­tik und Kul­tur im Aus­tausch zwi­schen Oldenburg und St. Petersburg, die hö­fi­sche Por­trät­ma­le­rei, die „Vier Un­ver­gess­lichen", Lavaters Phy­siog­no­mik und zu­letzt über Tischbeins künst­le­ri­sche Stu­dien er­zählt ein pracht­vol­ler Ka­ta­log, den zu er­wer­ben es sich lohnt. 250 Sei­ten stark, ist er mit zehn Bei­trä­gen nicht nur in­halt­lich fa­cet­ten­reich, son­dern äußer­lich eine Augen­weide.
 
Oberes Bild: Aus­stel­lungs­an­sicht Die Vier Un­ver­gess­lichen, Foto: Lan­des­museum

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel M.A., Kunst- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rin, Re­si­denz­ort Rastede GmbH, Projekt­leitung.

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Infothek

Die Son­der­aus­stel­lung „Die Vier Un­ver­gess­lichen – Das rus­si­sche Zaren­haus und der Olden­bur­ger Hof in der Zeit von Lavater und Tischbein“ ist vom 3. Ok­to­ber bis zum 17. Ja­nuar 2021 im Olden­bur­ger Prin­zen­pa­lais, Damm 1, zu sehen. Zur Aus­stel­lung er­hal­ten die Be­sucher eine Be­gleit­bro­schü­re, die über die dy­nas­ti­schen Li­nien und die ein­zel­nen Per­sön­lich­kei­ten Aus­kunft gibt und in der die trans­kri­bier­ten Brie­fe nach­zu­le­sen sind.

Der be­glei­ten­de Ka­ta­log ist an der Mu­seums­kasse für 29,90 EUR er­hält­lich.

Nähere In­for­ma­tio­nen und Ter­mi­ne der Be­sucher­füh­run­gen unter

https://www.landesmuseum-ol.de

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel M.A., Kunst- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rin, Re­si­denz­ort Rastede GmbH, Projekt­leitung.

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