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Von Angesicht zu Angesicht
Das russische Zarenhaus und der Oldenburger Adel laden zur Audienz ein
Neue Sonderausstellung im Landesmuseum für Kunst und Kulturgeschichte.
2. Oktober 2020
Es könnte keinen besseren Ort für die Ausstellung geben. Im Prinzenpalais - dem Gebäude, das 1821 eigens für die beiden russischen Prinzen Alexander und Peter errichtet wurde - ist sie nun versammelt, die Prominenz des russischen Zarenhauses und des Oldenburger Hofes. Präsent sind sie in Form ihrer Porträts, die aus den Ahnengalerien mehrerer Schlösser zusammengetragen wurden.
„Die Oldenburger Dynastie war damals ein wichtiger Player im europäischen Spitzenadel und mit dem russischen wie auch skandinavischen Adel eng vernetzt“, erläutert Matthias Weber vom Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa, kurz BKGE, das als Kooperationspartner an den Vorbereitungen beteiligt war. Wie die Ausstellung zeigt, gingen die Beziehungen zwischen Oldenburg und Russland über den politischen und diplomatischen Rahmen weit hinaus.
„Die Oldenburger Dynastie war damals ein wichtiger Player im europäischen Spitzenadel und mit dem russischen wie auch skandinavischen Adel eng vernetzt“, erläutert Matthias Weber vom Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im Östlichen Europa, kurz BKGE, das als Kooperationspartner an den Vorbereitungen beteiligt war. Wie die Ausstellung zeigt, gingen die Beziehungen zwischen Oldenburg und Russland über den politischen und diplomatischen Rahmen weit hinaus.
Vier der „Hoheiten“ standen sich besonders nah. Das waren Herzog Peter Friedrich Ludwig und seine Gemahlin Herzogin Friederike sowie ihre Schwester Zarin Maria Fjodorowna und deren Ehemann Zar Paul I. "Man besuchte einander und führte einen regen Briefwechsel", erzählt Anna Heinze, Kuratorin der Ausstellung. Die Vier waren „Seelenverwandte“, tauschten sich über Kunst, Gartenbau und Botanik aus. Die zwei Paare einte zudem noch ein besonderes Interesse, nämlich das an der Physiognomik. Diese Pseudo-Wissenschaft, nach der von äußeren Merkmalen auf die Charaktereigenschaften eines Menschen geschlossen wird, war im 18. Jahrhundert in ganz Europa höchst populär. 1782 reisten die Vier zusammen nach Zürich, um dort Johann Kaspar Lavater kennenzulernen. Lavater, eigentlich Pfarrer, galt als Berühmtheit der Physiognomik. Von ihm wollten sie sich ihre Gesichter deuten lassen. Er war es auch, der das miteinander verwandte Quartett als „Die vier Unvergesslichen“ bezeichnete.
Lavaters Untersuchungen bilden das zweite Kapitel der Ausstellung. Originale Bildbände mit unzähligen Gesichtern bis hin zu Zeichnungen von Nasen- und Stirnformen vermitteln die Inhalte seiner Theorie. Bis heute nahezu unbekannt ist die physiognomische Sammlung, die Lavater nach St. Petersburg sendete, um sie Maria Fjodorowna zum Kauf anzubieten. Das Konvolut umfasste über 1.000 nach Themen sortierte Bilder, die jeweils mit charakterlichen Deutungen versehen sind. Maria erwarb die Blätter und ließ sie zu vier gewichtigen Folianten binden, von denen zwei in der Ausstellung zu sehen sind.
Fasziniert von Lavaters Wissenschaft war auch der Maler Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, von dem das dritte Kapitel handelt. Auch er hatte sich bei Lavater in Zürich aufgehalten, bevor er 1808 in Oldenburg seinen Dienst als Hofmaler antrat. Lavater ermutigte Tischbein zu Porträtstudien, Tischbein wiederum entwickelte die Physiognomik auf künstlerischer Ebene weiter und fokussierte sich dabei nicht nur auf Charakterdarstellungen, sondern auch auf Mensch-Tier-Analogien.
Über die Politik und Kultur im Austausch zwischen Oldenburg und St. Petersburg, die höfische Porträtmalerei, die „Vier Unvergesslichen", Lavaters Physiognomik und zuletzt über Tischbeins künstlerische Studien erzählt ein prachtvoller Katalog, den zu erwerben es sich lohnt. 250 Seiten stark, ist er mit zehn Beiträgen nicht nur inhaltlich facettenreich, sondern äußerlich eine Augenweide.
Über die Politik und Kultur im Austausch zwischen Oldenburg und St. Petersburg, die höfische Porträtmalerei, die „Vier Unvergesslichen", Lavaters Physiognomik und zuletzt über Tischbeins künstlerische Studien erzählt ein prachtvoller Katalog, den zu erwerben es sich lohnt. 250 Seiten stark, ist er mit zehn Beiträgen nicht nur inhaltlich facettenreich, sondern äußerlich eine Augenweide.
Oberes Bild: Ausstellungsansicht Die Vier Unvergesslichen, Foto: Landesmuseum