„Analog 66“

Das Oldenburger Stadt­mu­seum zeigt 100 Ge­sich­ter der Stadt

„Analog 66“– mit die­sem Titel ist die neue Aus­stel­lung über­schrie­ben, die Fo­to­gra­fien von Stephan Meyer-Bergfeld zeigt. Was heißt das nun? „Analog“ ver­weist hier auf das Ge­gen­teil der Di­gi­tal­fo­to­gra­fie. Zu sehen sind also Bil­der, die – wie frü­her – auf Film auf­ge­nom­men wur­den. Die „66“ spielt auf die Tech­nik an. Meyer-Bergfeld fo­to­gra­fiert mit einer Hasselblad-Kamera 500 C aus dem Jahr 1966 und damit aus der Zeit vor der di­gi­ta­len Fo­to­gra­fie.

8. Oktober 2020

Porträt Jasbir Singh Dhot
Bild: Porträt Jasbir Singh Dhot, Foto: Stephan Meyer-Bergfeld
Jahrgang 1963, hat Meyer-Bergfeld noch eine tra­di­tio­nel­le Fo­to­gra­fen-Aus­bil­dung durch­lau­fen und alles ana­log ge­lernt. Bis heute kann er der al­ten Tech­nik weit mehr ab­ge­winn­en als der di­gi­ta­len Ver­sion: „In den Hö­hen und Tie­fen kann der Film weit mehr als die di­gi­ta­le Auf­nah­me. Im Ge­gen­satz zur Flächig­keit der Pi­xel­op­tik er­schei­nen die ana­lo­gen Fotos sehr viel plas­ti­scher." Für die Por­trät­se­rie wähl­te er die pu­ris­ti­sche Ur­form der Schwarz-Weiß-Auf­nah­me vor immer dem­sel­ben schlich­ten Hin­ter­grund, damit nichts vom ei­gent­lichen The­ma ab­lenkt – dem Ge­sicht. Vier Jahre lang hat Meyer-Bergfeld an dem Pro­jekt ge­ar­bei­tet. Er hat Per­sön­lich­kei­ten der Stadt fo­to­gra­fiert, aber auch un­be­kann­te Ge­sich­ter. Welche Tä­tig­kei­ten die je­wei­li­gen Men­schen aus­üben, lässt sich in der Aus­stel­lung den Schil­dern ent­neh­men. Die Be­sucher be­geg­nen Ober­bür­ger­meis­ter Jürgen Krogmann, der Läu­fe­rin Ruth Spelmeyer, dem Künst­ler Thomas Schütte, der Markt­frau Linda Bastwäste, dem Raum­fah­rer Thomas Reiter, der Foto­la­bo­ran­tin Xi Lu, dem Schau­spie­ler Orhan Muestak, dem Kell­ner Lars Görg und dem Bus­fah­rer Jasbir Songh Dhot, der wegen sei­nes ra­san­ten Fahr­stils als „Turbo-Turban“ be­kannt ist. Ge­mein­sam ist allen Por­trä­tier­ten eine Ver­bin­dung zu Olden­burg, weil sie hier ge­bo­ren wur­den, hier le­ben oder ar­bei­ten.
„Es ging mir bei die­sen Ar­bei­ten auch darum, ein Bild der Stadt zu kon­ser­vie­ren. Nach der Aus­stel­lung gehen die Bil­der des­halb in das Ar­chiv des Stadt­mu­seums über. Und auch in die­ser Hin­sicht unter­schei­det sich die ana­lo­ge Auf­nah­me von der di­gi­ta­len. Pa­pier­ab­zü­ge wie die­se las­sen sich etwa 200 Jah­re auf­be­wah­ren und die Ne­ga­ti­ve sind noch hun­der­te Jah­re län­ger halt­bar. Ob das mit un­se­ren di­gi­ta­len Daten mög­lich ist, weiß kei­ner“, er­läu­tert der Foto­graf.
Porträt Jürgen Müllender
Bild: Porträt Jürgen Müllender, Foto: Stephan Meyer-Bergfeld
Konzep­tio­nell ist „Analog 66“ den Foto­do­ku­men­ta­tio­nen von August Sander ver­wandt. Vor hun­dert Jah­ren, schreibt Klaus Modick im be­glei­ten­den Ka­ta­log, hat Sander unter dem Titel „Antlitz der Zeit“ Men­schen aus alle Schich­ten, Be­ru­fen und Le­bens­wel­ten fo­to­gra­fiert und damit einen Spie­gel des Men­schen­bilds der Weimarer Re­pu­blik ge­schaf­fen. "Auch wenn Stephan Meyer-Bergfelds Pro­jekt be­schei­de­ner da­her­kommt, weil es nicht die Ge­stal­ten eines gan­zen Lan­des ver­sam­melt, son­dern nur die Ge­sich­ter einer klei­nen nord­west­deut­schen Groß­stadt, ist es doch mit Sanders Ver­fah­ren ver­gleich­bar. Bei­de Bild­se­rien zei­gen ein Pa­no­ra­ma phy­siog­no­mi­scher Viel­falt, doch in un­se­rer Epoche von glo­ba­ler Mi­gra­tions­be­we­gung wir­ken Meyer-Bergfelds Er­geb­nis­se viel inter­na­tio­na­ler und poly­glot­ter als zu Sanders Zeiten. Vor die­sem Hintergrund ist die Serie „ein wich­ti­ger Bei­trag zum Ge­dächt­nis un­se­rer Stadt“, hebt die Ku­ra­to­rin Dr. Sabine Isensee hervor.
Porträt Vanessa Lu
Bild: Porträt Vanessa Lu, Foto: Stephan Meyer-Bergfeld
Im Bild­for­mat von 60 x 60 cm er­schei­nen die Por­trä­tier­ten maß­stäb­lich in fast „rea­len“ Grö­ßen­ver­hält­nis­sen. Dass die Be­trach­ter alle di­rekt aus dem Bild heraus­schauen, ist Teil des Kon­zepts: Je län­ger man in die ein­zelnen Ge­sich­ter hin­ein­blickt, desto in­ten­si­ver schei­nen sie zu­rück­zu­blicken. „So wird der Be­trach­ter selbst zum Be­trach­te­ten, was eine inte­res­san­te Wech­sel­wir­kung schafft“, führt Meyer-Bergfeld aus. Es geht also we­ni­ger um An­schauen als viel­mehr um Be­geg­nung. Damit die­ser Pro­zess nicht von Re­fle­xio­nen auf dem Glas ge­stört wird, hän­gen die Foto­gra­fien un­ge­rahmt an den Wänden.

Stephan Meyer-Bergfeld, Jahrgang 1963, ist in Glücks­burg an der Flens­bur­ger Förde auf­ge­wach­sen, ab­sol­vier­te von 1988 bis 1991 eine Aus­bil­dung zum Fo­to­gra­fen an der Lan­des­be­rufs­schu­le Photo + Medien in Kiel und im Wer­be­stu­dio Wöltje in Olden­burg. Seit 1992 ist Meyer-Bergfeld als selbst­stän­di­ger Foto­graf frei­be­ruf­lich tätig, zu­nächst in Ham­burg und seit 1995 in Olden­burg. 1994 er­hielt er Reinhart-Wolf-Preis, der jähr­lich vom Bund Frei­schaf­fen­der Foto-De­sig­ner (BFF) ver­ge­ben wird.
 
Bild Übersichtsseite: Stephan Meyer-Bergfelds Kamera Hasselblad 500 C - Baujahr 1966, Foto: Stephan Meyer-Bergfeld

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel M.A., Kunst- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rin, Re­si­denz­ort Rastede GmbH, Projekt­leitung.

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Die Aus­stel­lung „Stephan Meyer-Bergfeld: Analog 66 – Olden­bur­ger Porträts“ läuft vom 11. Ok­to­ber bis 6. De­zem­ber 2020. Am Sonn­tag, den 11. Ok­to­ber, ist die Aus­stel­lung re­gu­lär für alle Be­suche­rinn­en und Be­sucher ge­öff­net. Auf­grund der Corona Ver­ord­nung kön­nen nur zwölf Gäste gleich­zei­tig die Aus­stel­lung be­suchen.

Beglei­tend er­scheint ein Ka­ta­log mit Tex­ten von Sabine Isensee und Klaus Modick und Ab­bil­dun­gen aller 100 Por­träts. Der Ka­ta­log ist an der Mu­seums­kas­se für 20 Euro er­hält­lich.

Besucher­in­for­ma­tio­nen unter

https://www.stadtmuseum-oldenburg.de

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Birgit Denizel

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Birgit Denizel M.A., Kunst- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rin, Re­si­denz­ort Rastede GmbH, Projekt­leitung.

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