Museumsdorf Cloppenburg
Dorfleben zwischen Corona und Jubiläum
Das Museumsdorf Cloppenburg ist in ganz Niedersachsen das Museum mit den höchsten Besucherzahlen. Auf einer Fläche von 15 Hektar befinden sich mehr als 50 historische Gebäude, die einen Blick auf das Landleben vergangener Jahrhunderte bieten – Bauernhöfe, Mühlen, Werkstätten, eine Kirche und eine Schule. Innerhalb des Dorfes werden nach alten Methoden Werkzeuge geschmiedet, Brote gebacken und Tiere gehalten. Darüber hinaus werden Sonderausstellungen und Veranstaltungen angeboten. Im Jahr 2022 feiert das Museum sein 100-jähriges Bestehen.
3. November 2020
Birgit Denizel sprach mit Museumsdirektorin Dr. Julia Schulte to Bühne über das Jetzt und die Zukunft.
Frage: Frau Schulte to Bühne, Sie zählen jährlich rund 300.000 Besucher. Was macht die hohe Attraktivität Ihres Museumsdorfes aus?
Dr. Julia Schulte to Bühne: Als Museum für Alltagskultur sprechen wir sehr viele Menschen an. Die meisten unserer Besucher sind begeistert davon, dass man draußen ist, in die Objekte hinein gehen oder auch ein Brot probieren kann, das duftend aus dem Steinofen kommt. Bei uns darf man die Dinge auch anfassen, wenn man zum Beispiel eine tolle Kutsche sieht. So werden mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen. Es ist vielleicht ein bisschen Bullerbü, keine Frage, aber wenn wir auf diese Weise ein Bewusstsein dafür wecken, über die eigene Kultur nachzudenken, dann haben wir schon viel erreicht.
Frage: Das heißt, Ihr Angebot richtet sich an alle Altersklassen, vom Dreijährigen, der vor dem Hoppelhasen stehen bleibt, bis zur 93-Jährigen, die das bäuerliche Leben noch mit eigenen Erinnerungen verbindet.
Schulte to Bühne: Richtig. Hinzu kommt noch ein großes museumspädagogisches Programm. Jährlich kommen allein schon 75.000 Kinder und Schüler ins Museum. Das Brotbacken gehört zu den Highlights. Und was ich selber mache, bleibt ganz anders haften, als wenn mir ein Lehrer etwas von Korn und Ofen erzählt. Sogar Erwachsene kommen wieder, weil sie als Kind hier Brot gebacken haben. Ich will aber nicht verschweigen, dass wir viele Besucher auch durch unsere Aktionstage zählen, zum Beispiel die Gartenpartie, der Kirmes oder der Nikolausmarkt.
Frage: Und wie läuft es in diesem Jahr? Wie wirkt sich Corona auf ein Freilichtmuseum wie Ihres aus?
Schulte to Bühne: Bisher zählen wir noch keine 100.000 Besucher, da die Großveranstaltungen nicht stattgefunden haben und die Schulklassen nicht gekommen sind. Alternativ haben wir erstmalig einen Dorfsommer angeboten, auch weil viele Familien nicht in den Urlaub fahren konnten. Wir haben in kleinen Gruppen Tierfütterungen, Zinngießen und Blaudruck vorgeführt und das Oldenburger Theaterlaboratorium war hier. Das war organisatorisch ein immenser Aufwand, durch die große Fläche aber machbar. Wir dürfen täglich immerhin 2.500 Leute auf das Gelände lassen.
Frage: Vermutlich gleichen diese kleinen Veranstaltungen die fehlenden Einnahmen nicht aus, zumal die Hygienemaßnahmen selbst ein Kostenfaktor sind.
Schulte to Bühne: Deshalb haben wir in diesem Jahr, nach der Corona bedingten Schließzeit im November ab 1. Dezember, erstmalig nur an den Wochenenden geöffnet. Das ist eigentlich sehr schade, denn gerade im Winter, wenn in der dunklen Stube nur das Herdfeuer brennt, wird die Realität des früheren Landlebens sehr viel deutlicher als im Sommer. Das geplante Weihnachtsangebot kann auch nicht wie gewohnt stattfinden, zumal die Aussteller selbst schon absagen.
Frage: Im Moment ist es nicht abzusehen, dass sich die Situation alsbald wandeln wird. Was planen Sie für die Zukunft?
Schulte to Bühne: Die Besucherstrukturen haben sich bereits jetzt schon geändert. Es kommen weniger große Gruppen. Das wird sich vermutlich auch nach der Krise nicht gleich ändern. Wir werden also mehrere Veranstaltungsformate für kleinere Gruppen entwickeln, zum Beispiel Bier brauen oder Schmiedearbeiten.
Frage: Frau Schulte to Bühne, Sie zählen jährlich rund 300.000 Besucher. Was macht die hohe Attraktivität Ihres Museumsdorfes aus?
Dr. Julia Schulte to Bühne: Als Museum für Alltagskultur sprechen wir sehr viele Menschen an. Die meisten unserer Besucher sind begeistert davon, dass man draußen ist, in die Objekte hinein gehen oder auch ein Brot probieren kann, das duftend aus dem Steinofen kommt. Bei uns darf man die Dinge auch anfassen, wenn man zum Beispiel eine tolle Kutsche sieht. So werden mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen. Es ist vielleicht ein bisschen Bullerbü, keine Frage, aber wenn wir auf diese Weise ein Bewusstsein dafür wecken, über die eigene Kultur nachzudenken, dann haben wir schon viel erreicht.
Frage: Das heißt, Ihr Angebot richtet sich an alle Altersklassen, vom Dreijährigen, der vor dem Hoppelhasen stehen bleibt, bis zur 93-Jährigen, die das bäuerliche Leben noch mit eigenen Erinnerungen verbindet.
Schulte to Bühne: Richtig. Hinzu kommt noch ein großes museumspädagogisches Programm. Jährlich kommen allein schon 75.000 Kinder und Schüler ins Museum. Das Brotbacken gehört zu den Highlights. Und was ich selber mache, bleibt ganz anders haften, als wenn mir ein Lehrer etwas von Korn und Ofen erzählt. Sogar Erwachsene kommen wieder, weil sie als Kind hier Brot gebacken haben. Ich will aber nicht verschweigen, dass wir viele Besucher auch durch unsere Aktionstage zählen, zum Beispiel die Gartenpartie, der Kirmes oder der Nikolausmarkt.
Frage: Und wie läuft es in diesem Jahr? Wie wirkt sich Corona auf ein Freilichtmuseum wie Ihres aus?
Schulte to Bühne: Bisher zählen wir noch keine 100.000 Besucher, da die Großveranstaltungen nicht stattgefunden haben und die Schulklassen nicht gekommen sind. Alternativ haben wir erstmalig einen Dorfsommer angeboten, auch weil viele Familien nicht in den Urlaub fahren konnten. Wir haben in kleinen Gruppen Tierfütterungen, Zinngießen und Blaudruck vorgeführt und das Oldenburger Theaterlaboratorium war hier. Das war organisatorisch ein immenser Aufwand, durch die große Fläche aber machbar. Wir dürfen täglich immerhin 2.500 Leute auf das Gelände lassen.
Frage: Vermutlich gleichen diese kleinen Veranstaltungen die fehlenden Einnahmen nicht aus, zumal die Hygienemaßnahmen selbst ein Kostenfaktor sind.
Schulte to Bühne: Deshalb haben wir in diesem Jahr, nach der Corona bedingten Schließzeit im November ab 1. Dezember, erstmalig nur an den Wochenenden geöffnet. Das ist eigentlich sehr schade, denn gerade im Winter, wenn in der dunklen Stube nur das Herdfeuer brennt, wird die Realität des früheren Landlebens sehr viel deutlicher als im Sommer. Das geplante Weihnachtsangebot kann auch nicht wie gewohnt stattfinden, zumal die Aussteller selbst schon absagen.
Frage: Im Moment ist es nicht abzusehen, dass sich die Situation alsbald wandeln wird. Was planen Sie für die Zukunft?
Schulte to Bühne: Die Besucherstrukturen haben sich bereits jetzt schon geändert. Es kommen weniger große Gruppen. Das wird sich vermutlich auch nach der Krise nicht gleich ändern. Wir werden also mehrere Veranstaltungsformate für kleinere Gruppen entwickeln, zum Beispiel Bier brauen oder Schmiedearbeiten.
Frage: Sie feiern in bald das 100-jährige Bestehen des Museums. Darauf arbeiten Sie sicher schon hin.
Schulte to Bühne: Wie andere Freilichtmuseen sind wir nicht vom Land gegründet worden, sondern sind aus privaten Engagement heraus entstanden.1922 hat Heinrich Ottenjann, ein Cloppenburger Gymnasiallehrer, die Sammlung angelegt, zunächst mit Gerätschaften und Mobiliar. Als die Nationalsozialisten das Museum zur Vermittlung ihrer Blut- und Bodenideologie nutzen wollten, konnte er deren Vereinnahmung entgegenwirken, indem er den Bauern aus dem Mittelpunkt herausrückte und den Schwerpunkt auf die Architektur legte. Folglich kaufte er den Bauern und Gemeinden ihre Häuser ab und baute sie hier wieder auf. Die Sammlung wurde bis heute fortgesetzt. Man holt die Gebäude hier her, um die ländliche Kultur Niedersachsens zu zeigen – das ist unser Auftrag. Jetzt steht an, das Dorf durch eine Siedlung der Nachkriegszeit zu erweitern.
Frage: Also die vorindustrielle Dorfgeschichte weiter zu erzählen?
Schulte to Bühne: Ja, die Erweiterung des Dorfes ist der logische Schritt. Der Lageplan existiert schon. Die Siedlung bauen wir gegenüber vom alten Ortskern. Wie tatsächlich nach 1945 in Niedersachsen wie fast überall in Deutschland durch den Zuzug neue Siedlungen gebaut wurden, um die vielen neuen Menschen aufzunehmen, so machen wir das auch. Wenn man sich die Dörfer nämlich genauer anschaut, so wurden die Siedlungen für die Flüchtlinge fast immer etwas abseits gebaut. Mal liegt eine Brücke dazwischen, mal ein Feldweg und diese Situation stellen wir gegenüber des bestehenden alten Dorfes nach.
Frage: Vor wenigen Jahren haben Sie die Diskothek „Sonnenstein“ aus Harpstedt geholt, die dort abgerissen werden sollte. Wie passt denn eine Disko in das Konzept?
Schulte to Bühne: Die passt super, denn mit dem Schritt in die Nachkriegszeit widmen wir uns auch der neuen Mobilität, dem Konsum und der wachsenden Freizeit. „Sonnenstein“ ist ein ganz typisches Zeitzeugnis für die ländliche Freizeitgestaltung und damit auch ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur. Wenn wir zurückdenken, gab es vor dem Krieg nur wenige Anlässe zum Feiern, neben Schützenfesten waren es hauptsächlich Hochzeiten oder Jubiläen, die einen Anlass zum Tanzen boten. Schon während der Bauphase haben wir in der Disko einige Führungen gemacht. Dabei kam man sofort ins Gespräch. Fast jeder kann dazu eine persönliche Geschichte beisteuern. Jetzt haben wir noch die Zeitzeugen, die schließlich auch für unsere Forschung wichtig sind. Der Wiederaufbau ist inzwischen fertig, doch für die offizielle Eröffnung braucht man Musik, Tanz und Trubel. Man soll – so ist die Idee – in die Disko hineinkommen und es ist ein Abend in den 80ern. Deswegen haben wir uns entschieden, die Eröffnung in das kommende Jahr zu verlegen.
Denizel: Ich kann mich selbst noch gut an den Besuch solcher Landdiskos erinnern. Frau Schulte to Bühne, ich wünsche Ihnen für Ihre Pläne alles Gute und bedanke mich für das Gespräch.
Schulte to Bühne: Wie andere Freilichtmuseen sind wir nicht vom Land gegründet worden, sondern sind aus privaten Engagement heraus entstanden.1922 hat Heinrich Ottenjann, ein Cloppenburger Gymnasiallehrer, die Sammlung angelegt, zunächst mit Gerätschaften und Mobiliar. Als die Nationalsozialisten das Museum zur Vermittlung ihrer Blut- und Bodenideologie nutzen wollten, konnte er deren Vereinnahmung entgegenwirken, indem er den Bauern aus dem Mittelpunkt herausrückte und den Schwerpunkt auf die Architektur legte. Folglich kaufte er den Bauern und Gemeinden ihre Häuser ab und baute sie hier wieder auf. Die Sammlung wurde bis heute fortgesetzt. Man holt die Gebäude hier her, um die ländliche Kultur Niedersachsens zu zeigen – das ist unser Auftrag. Jetzt steht an, das Dorf durch eine Siedlung der Nachkriegszeit zu erweitern.
Frage: Also die vorindustrielle Dorfgeschichte weiter zu erzählen?
Schulte to Bühne: Ja, die Erweiterung des Dorfes ist der logische Schritt. Der Lageplan existiert schon. Die Siedlung bauen wir gegenüber vom alten Ortskern. Wie tatsächlich nach 1945 in Niedersachsen wie fast überall in Deutschland durch den Zuzug neue Siedlungen gebaut wurden, um die vielen neuen Menschen aufzunehmen, so machen wir das auch. Wenn man sich die Dörfer nämlich genauer anschaut, so wurden die Siedlungen für die Flüchtlinge fast immer etwas abseits gebaut. Mal liegt eine Brücke dazwischen, mal ein Feldweg und diese Situation stellen wir gegenüber des bestehenden alten Dorfes nach.
Frage: Vor wenigen Jahren haben Sie die Diskothek „Sonnenstein“ aus Harpstedt geholt, die dort abgerissen werden sollte. Wie passt denn eine Disko in das Konzept?
Schulte to Bühne: Die passt super, denn mit dem Schritt in die Nachkriegszeit widmen wir uns auch der neuen Mobilität, dem Konsum und der wachsenden Freizeit. „Sonnenstein“ ist ein ganz typisches Zeitzeugnis für die ländliche Freizeitgestaltung und damit auch ein wichtiger Teil der Erinnerungskultur. Wenn wir zurückdenken, gab es vor dem Krieg nur wenige Anlässe zum Feiern, neben Schützenfesten waren es hauptsächlich Hochzeiten oder Jubiläen, die einen Anlass zum Tanzen boten. Schon während der Bauphase haben wir in der Disko einige Führungen gemacht. Dabei kam man sofort ins Gespräch. Fast jeder kann dazu eine persönliche Geschichte beisteuern. Jetzt haben wir noch die Zeitzeugen, die schließlich auch für unsere Forschung wichtig sind. Der Wiederaufbau ist inzwischen fertig, doch für die offizielle Eröffnung braucht man Musik, Tanz und Trubel. Man soll – so ist die Idee – in die Disko hineinkommen und es ist ein Abend in den 80ern. Deswegen haben wir uns entschieden, die Eröffnung in das kommende Jahr zu verlegen.
Denizel: Ich kann mich selbst noch gut an den Besuch solcher Landdiskos erinnern. Frau Schulte to Bühne, ich wünsche Ihnen für Ihre Pläne alles Gute und bedanke mich für das Gespräch.