• Köstlichkeiten aus Bäumen

    Blätter, Nadeln, Blüten

    Köstlichkeiten aus Bäumen

Baumfrüchte wie Buch­eckern und Eicheln sind hin­läng­lich be­kannt, was aber viele nicht wis­sen: Auch Blät­ter, Blü­ten und Na­deln las­sen sich zu köst­lichen Spei­s ver­ar­bei­ten.

23. April 2024

Wenn es um ess­bare Blät­ter, Na­deln und Blü­ten von Bäu­men geht, öff­net sich eine köst­liche Welt voller kuli­na­ri­scher Mög­lich­kei­ten. „Die Linde ist der idea­le Ein­stei­ger­baum, denn die Blät­ter und Blü­ten haben einen mil­den, nus­si­gen Ge­schmack“, sagt Victoria Lorenz, Wild­pflan­zen-Ex­per­tin und Auto­rin des Buchs „Tasty Trees – Lecke­res aus Bäumen“.
Neben der Linde las­sen sich auch die Blät­ter bzw. Na­deln von Ahorn, Buche, Douglasie, Fich­te, Kie­fer, Lär­che und Weiß­tanne ver­zeh­ren. Aller­dings geht das bei den meis­ten Laub­bäu­men nur über eine kur­ze Zeit­pe­rio­de. „Buchen- und Ahorn­blät­ter schmecken nur, wenn sie frisch aus ihren Knos­pen schlüp­fen. Da­nach wer­den die Blät­ter här­ter und bit­te­rer“, er­läu­tert die 33-Jäh­ri­ge. An­ders bei der Linde: Ihre Blät­ter las­sen sich inner­halb eines Jah­res über meh­re­re Mo­na­te ernten.

Weißtanne lie­fert Man­da­ri­nen-Note, mit Kie­fern wird es pfef­frig

Die Saison für das Sam­meln jun­ger Laub­baum­blät­ter be­ginnt in Deutsch­land, ab­hän­gig von Lage und Klima, Ende März/Anfang April. Nadel­bäume haben den Vor­teil, dass sie über das ge­sam­te Jahr nutz­bar sind. Aus­nah­me ist die Lärche, die als ein­zi­ger Nadel­baum im Win­ter ihre Na­deln ver­liert. Ge­ne­rell sind Nadel­bäume für die Zi­trus-Aromen ver­ant­wort­lich: Weiß­tanne erin­nert an Man­da­ri­nen, Douglasie an Oran­gen und Lär­che sowie Fich­te – ge­meint ist die Rot­fich­te (Picea abies) – an Zi­tro­nen. Das Aroma der Kie­fer be­schreibt Lorenz als „etwas pfef­frig“.
Bei der Linde unter­schei­det man die Som­mer- und die Win­ter­lin­de, bei­de schmecken. Aller­dings haben die Blät­ter der Som­mer­linde einen Flaum. Lorenz: „Das em­pfin­de ich auf der Zun­ge als nicht so an­ge­nehm, aller­dings hat der Flaum den Vor­teil, dass das Dres­sing bes­ser hän­gen bleibt.“ Am bes­ten schnei­det man also die jun­gen Blät­ter in Strei­fen und ver­ar­bei­tet diese zu einem Salat.
Junge Ahorn­blät­ter nutzt Lorenz, um grie­chi­sche Dol­ma­des her­zu­stel­len. Bei den Ahorn­bäu­men spielt es keine Rolle, wel­che Art man er­wischt. Blät­ter und Blü­ten von Spitz-, Berg- oder dem sel­te­ne­ren Feld­ahorn sind alle­samt ess­bar. „Beim Spitz­ahorn ist es eher die Heraus­for­de­rung an die Blü­ten zu kom­men. Daher soll­ten Samm­ler Ahorn­bäume suchen, die am Hang ste­hen“, rät die Münchnerin.

Rotbuche lie­fert Apfel­scha­len-Aroma, Hain­buche eig­net sich nicht

Das Aroma jun­ger Buchen­blät­ter be­schreibt Lorenz als säuer­lich nach Apfel­scha­le und em­pfiehlt sie als Bei­gabe zum Salat. Wenn Lorenz von Buchen spricht, meint sie Rot­buchen (Fagus sylvatica), also die Baum­art, die mit ihrer glat­ten Rin­de samt gera­den Stäm­men sehr hoch wach­sen und für die be­rühm­ten Buchen­hal­len­wäl­der sor­gen. Die Hain­buche ge­hört, auch wenn sie „Buche“ im Namen trägt, nicht zu den Buchen­ar­ten, son­dern zu den Bir­ken­ge­wäch­sen und schmecke nicht „be­son­ders lecker“.
Die Sammel­regel lau­tet: Auch wenn man glück­lich ist, den idea­len Baum ge­fun­den zu haben, soll­te jeder und jede beim Sam­meln maß­hal­ten. „Also nicht ganze Zwei­ge und Äste ab­ern­ten und alles in ver­nünf­ti­gen Men­gen, die den Baum nicht schä­di­gen“, be­tont Lorenz.

Mit klei­nen Blät­ter-Por­tio­nen all­mäh­lich an Bit­ter­stof­fe ge­wöhnen

Otmar Diez, In­ha­ber der gleich­na­mi­gen Natur­schu­le und Autor des Buchs „Unsere ess­baren Bäume und Sträu­cher“, sieht das ähn­lich. Er rät aber noch aus einem an­de­ren Grund, mit klei­nen Por­tio­nen an­zu­fan­gen: „Wer zum ersten Mal Baum­blät­ter oder Nadeln ver­zeh­ren will, ist noch nicht an den wil­den Ge­schmack, ins­be­son­de­re an die Bit­ter­stof­fe, ge­wöhnt.“ Denn bei Sa­la­ten und Ge­müse aus dem Super­markt sind diese Bit­ter­stof­fe fast alle heraus­ge­züchtet.
Daher sollte man erst ein­mal mit ein paar Blät­tern be­gin­nen, die man sei­nem ge­kauf­ten Salat zu­gibt oder in einen Auf­lauf mischt. Gerade Buchen­blät­ter ent­hal­ten deut­lich mehr Gerb­stof­fe und schmecken daher bit­te­rer. „Sonst heißt es schnell: ‘Nee, das schmeckt mir nicht‘“», sagt der 65-Jährige.

Finger weg von Eiben und Ro­bi­nien – sie sind größ­ten­teils giftig

Am wich­tigs­ten ist: Nur das ver­zeh­ren, was man sicher kennt und be­stim­men kann. „Ro­bi­nien und Eiben sind größ­ten­teils gif­tig. Aller­dings las­sen sich ein­zel­ne Be­stand­teile die­ser Bäume essen“, er­läu­tert Diez. Bei der Ro­bi­nie seien das die Blü­ten und bei der Eibe das Frucht­fleisch der ro­ten Schein­beere – und hier ganz wich­tig – OHNE den darin ent­hal­te­nen Kern.
Achtung: Die Nadeln der Eibe sind schon in klei­nen Men­gen töd­lich gif­tig. Sie ent­hal­ten Al­ka­loide, die zur Atem­läh­mung füh­ren. Bei­des, Ro­bi­nie und Eibe, sind also keine An­fän­ger­bäume. Diez: „Selbst ich als Wild­pflan­zen-Ex­per­te lasse von Eiben kom­plett die Fin­ger. Nur weil da ein Fit­zel­chen Frucht­fleisch essbar ist, muss ich das nicht haben.“
„Das Gute an Bäu­men ist ja auch, dass sie nicht weg­lau­fen kön­nen“, scherzt Lorenz. Im Gegen­satz zu Wild­kräu­tern und Pil­zen bleibt ihr Stand­ort gleich. Heißt also: Wenn man einen Baum einmal rich­tig be­stimmt hat und nur ver­nünf­ti­ge Men­gen ent­nimmt, kann man jedes Jahr er­neut ernten.
Foto: Florian Schuh/dpa-tmn

Autorin

Pia Marie Wenholz

Pia Marie Wenholz

Pia Marie Wenholz ist Mit­­a­r­bei­­te­­rin der Öffent­lichen Olden­burg. Sie ist ver­ant­wort­lich für den Be­reich Pres­se und Kommu­ni­ka­tion.

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