• Glücksbringer Schwein

    Süße Schweine

    Glücksbringer zum neuen Jahr

Im Winter, so möch­te man mei­nen, mögen die meis­ten Men­schen im Olden­bur­ger Land das Schwein am liebs­ten zum Grün­kohl. Doch zu Sil­ves­ter ist das an­ders. Da wird das rosa­far­be­ne Bors­ten­vieh lie­ber aus Mar­zi­pan oder Scho­ko­la­de ge­nos­sen. Mehr als Schorn­stein­fe­ger, Klee und weiß­ge­tupf­te Flie­gen­pil­ze ist das Schwein des Deut­schen meist ge­schätz­tes Glücks­sym­bol. Doch warum ei­gent­lich?

4. Januar 2022

Fruchtbarkeit und Wohl­stand

Schokoladenschweine
Bild: Schoko­la­den­schwei­ne, Foto: Birgit Denizel
Die Bedeutung des Schweins als Glücks­brin­ger wird kul­tur­his­to­risch auf gleich meh­re­re Quel­len zu­rück­ge­führt. Bei mit­tel­al­ter­lichen Wett­spie­len war es üb­lich, den schlech­tes­ten Schüt­zen mit einem Fer­kel als Trost-Preis aus­zu­zeich­nen. Was als Hohn und Spott ge­dacht war, er­wies sich für den Ver­lie­rer je­doch als un­ver­dien­tes Glück: wer „Schwein ge­habt“ hat, konn­te damit schon bald eine ganze Fa­mi­lie satt be­kom­men. Und weil die Alles­fres­ser auch mit Küchen­ab­fäl­len zu­frie­den sind, lässt sich ein Fer­kel mühe­los zum Schwein mäs­ten, das jede Menge Fleisch auf den Rip­pen trägt. Über­dies be­kom­men Schwei­ne jähr­lich dut­zend­wei­se Nach­wuchs. Und wenn die Sau über­dies zur Weih­nachts­zeit ge­fer­kelt hat, war das Glück ga­ran­tiert. Das er­zählt der Brauch, zu Neu­jahr ein sau­ber ge­wasche­nes Jung­fer­kel in einem Korb herum­zu­rei­chen. Wer es be­rührt, dem steht ein gutes Jahr zuvor. Sym­bo­lisch für die­se Tra­di­tion dient heute das Schwein als Neu­jahrs­prä­sent. Dass Schwei­ne für eine schnel­le Ver­meh­rung sor­gen und somit den Men­schen eine siche­re Zu­kunft be­sche­ren, führ­te auch zur Be­liebt­heit des Spar­schweins.

Schon bei den Grie­chen und Rö­mern galt das Schwein als hei­li­ges Sym­bol der Frucht­bar­keit und Stär­ke. In der an­ti­ken My­tho­lo­gie ist Demeter, die Göt­tin des Ge­trei­des und des Acker­baus, auf einem Schwein ge­rit­ten. Und weil das so ist, kommt das Schwein in man­chen Län­dern als Glücks­brin­ger für die gute Ernte auf den Teller. Im Bal­ti­kum isst man zum „Pergrubius-Fest“, dem Ein­säe­fest, einen Schwei­ne­rüs­sel, damit sich der Acker ebenso leicht pflü­gen lässt, als wenn ihn Schwei­ne um­ge­wühlt hätten.

Das Schwein in unserer Sprache

Weil wir schon seit Jahr­tau­sen­den mit dem Schwein zu­sam­men­le­ben, hat es längst einen fes­ten Platz in un­se­rer Kul­tur – nicht nur in der Küche. Als eines der äl­tes­ten Haus­tie­re hat es auch unsere Spra­che längst er­obert. Den­ken wir an Be­schrei­bun­gen, dass wir uns „sau­wohl füh­len“ oder das sich je­mand bei einer Auf­gabe „sau­dumm“ an­stellt“, wird schnell deut­lich, dass das Schwein für Lob und Tadel gleicher­ma­ßen her­hal­ten muss. Eine Hand­schrift, die „kein Schwein lesen kann“ wir als „Sau­klaue“ be­zeich­net. Eine große Un­ord­nung wird „Sau­stall“ ge­nannt, wer sich aus­tobt, „lässt die Sau raus“ und wer gerne auf der Bühne steht ist eine „Ram­pen­sau“. Allianz­fähig wie das Tier ist, kann es auch als „Schwei­ne­pries­ter“, „Schwein­igel“oder „Schwei­ne­hund“ auf­tre­ten. Gottfried Benn dich­te­te: „Die Krone der Schöp­fung, das Schwein, der Mensch“. Womit wir beim nächs­ten Thema wären.

Ungeliebte Verwandtschaft?

Schweine-Kuscheltier
Bild: Schweine-Kuscheltier, Foto: Birgit Denizel
Vielleicht mögen wir das grun­zen­de Wesen eben des­halb so sehr, weil es uns so ähn­lich ist – ob wir wol­len oder nicht. Als Kino­fi­gur sprengt das Schwein die Kas­sen, als Mas­kott­chen wird es zum stän­di­gen Be­glei­ter und manche lie­ben es als Kuschel­tier weit über die Kind­heit hinaus. „Ich lie­be Schwei­ne“, be­kann­te die Schrift­stel­le­rin Cora Stephan in den „Me­moi­ren einer Schwei­ne­züch­te­rin“: „Sie sind idea­le Haus­ge­nos­sen, ver­spielt und ge­nuss­süch­tig, frech und an­häng­lich und wären des Men­schen bes­ter Freund, er­schrä­ke die­ser nicht vor sei­ner Ähn­lich­keit.“ Weil Schwei­ne uns auch ge­ne­tisch ver­wandt sind, die Über­ein­stim­mung bei immer­hin 90% liegt, eig­nen sich ihre Her­zen sogar zur Trans­plan­ta­tion. Kein Tier ist uns so ver­traut und fern zu­gleich wie das Schwein. Es ist „der An­de­re des Men­schen, sein un­heim­licher Dop­pel­gän­ger“, so der Kul­tur­his­to­ri­ker Thomas Macho. „Die be­wim­per­ten Blau­äug­lein und die Haut des Schwei­nes haben vom Mensch­lichen mehr als irgend­ein Schim­pan­se.“ Über das Schwein in un­se­rer Kultur, in Mythos und Re­li­gion hat Thomas Macho ein Buch ver­fasst, das mit dem knap­pen Titel „Schweine“ über alle Fa­cet­ten un­se­res Ver­hält­nis­ses zum Schwein er­zählt. Dabei blickt der Autor über den Tellerrand. Nicht in allen Kul­tu­ren wird das Schwein als Glücks­bote ge­se­hen. Für Mus­li­me sind Schwei­ne „un­rei­ne Tiere“. Auch gläu­bi­ge Ju­den dür­fen kein Schwei­ne­fleisch essen. „Vom Fleisch die­ser Tie­re dürft ihr weder essen noch ihr Aas an­rüh­ren“, heißt es im Alten Tes­ta­ment. Wer noch mehr über un­se­ren vier­bei­ni­gen Ver­wand­ten wis­sen möch­te, dem sei ein Be­such im Stutt­gar­ter Schwei­ne­mu­seum zu em­pfehlen.

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel M.A., Kunst- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rin, Re­si­denz­ort Rastede GmbH, Projekt­leitung.

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Infothek

Buchtipp:

Thomas Macho: „Schweine“
Verlag Matthes & Seitz Berlin
155 Seiten, gebunden, 20 €

Museumsbesuch:

Schweine-Museum
Schlachthofstraße 2a
70188 Stuttgart

Hier geht’s ins Museum:

https://www.schweinemuseum.de/virtueller-rundgang

Autorin

Birgit Denizel

Birgit Denizel

Birgit Denizel M.A., Kunst- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rin, Re­si­denz­ort Rastede GmbH, Projekt­leitung.

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