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Kostensparen bei Lebensmitteln:
Was Bio-Siegel wirklich aussagen
Ohne chemischen Pflanzenschutz, kurze Transporte zum Schlachter oder sogar mit kosmischen Kräften aufgeladen – das versprechen Bio-Siegel. Eine Übersicht für Verbraucher.
10. Februar 2022
Lebensmittel werden teurer. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach Bio-Produkten, die im Durchschnitt mehr kosten, den Verbrauchern aber wichtig sind. Inzwischen verschwimmen die Grenzen der teuren Naturkost und den günstigen Discounter-Lebensmitteln, denn auch die Discounter werben immer öfter mit erstaunlich günstigen Bio-Produkten. Wie ist das möglich – und sind die genauso gut?
„Was ein Bio-Siegel trägt, muss auch bio sein“, sagt Britta Schautz von der Verbraucherzentrale Berlin. Hierfür gelten klare Standards. Die meisten Produkte sind mit dem grün-weißen EU-Bio-Siegel zertifiziert. Dieses garantiert die Mindest-Anforderungen.
„Alle Monoprodukte wie Äpfel müssen zu 100 Prozent bio sein, zusammengesetzte Produkte bestehen mindestens zu 95 Prozent aus Zutaten aus ökologischem Landbau“, erklärt Schautz. „Die Produkte sind außerdem frei von Gentechnik, es wird auf chemisch-synthetischen Pflanzenschutz verzichtet und die Tiere werden artgerechter gehalten.“ Die Verwendung von Zusatzstoffen ist außerdem eingeschränkt. Und die Auflagen werden regelmäßig kontrolliert.
Viele Infos fehlen trotzdem
Das Siegel gibt aber auch über sehr vieles keine Auskunft, etwa woher die Produkte genau stammen. Hier unterscheidet das Siegel laut der Verbraucherzentrale nur zwischen „Nicht-EU-Landwirtschaft“ und „EU-Landwirtschaft“ – das ist wenig transparent. Es gibt zudem keine Regelung über die Transportdauer von Tieren zu Schlachthöfen. Und die Höfe dürfen auch parallel konventionell produzieren.
Wie kann ich sicher sein, dass die Bio-Richtlinien auch außerhalb der EU eingehalten werden? Das fragen sich viele Verbraucher. Hier gibt es konkrete Import-Vereinbarungen, auch diese Produkte werden zertifiziert und kontrolliert. Dabei geht es allerdings nur um qualitative Aspekte, nicht die Ökobilanz, die oft schlecht ist, wenn die Produkte einen weiten Weg zurücklegen.
Naturland, Bioland und Demeter versprechen mehr
Verbände wie Naturland, Bioland und Demeter haben sich selbst über die EU-Bio-Standards hinaus eigene strengere Regeln auferlegt. Diese sind allerdings individuell. Bei Naturland bedeutet das zum Beispiel, dass ein Herkunftsbetrieb ausschließlich ökologisch produzieren darf. Der Verband hat sich außerdem verpflichtet, bestimmte soziale Standards gegenüber Beschäftigten einzuhalten. Unterschiede gibt es auch in der Tierhaltung. Vor allem ist die Schlachtung geregelt: Es gibt Platzvorgaben, maximale Transportzeiten und -entfernungen. All dies gibt es bei dem EU-Bio-Siegel nicht.
Das Tierwohl an erster Stelle
Auch Bioland wirbt damit, dass die Höfe nur Bioland-Ware produzieren dürfen. Nach eigenen Angaben steht bei dem Verband „das Tierwohl an erster Stelle“. Hierfür erfolgen demnach „regelmäßige Kontrollen mit Beurteilung der Tiere anhand von definierten Kriterien“. Mindestens 50 Prozent des Futters für alle Tierarten muss vom eigenen Betrieb oder einer regionalen Kooperation stammen.
Bei Demeter ist zum Beispiel das schmerzhafte Enthornen von Kühen verboten. Und das Futter muss zu 75 Prozent von einem Demeter-Berieb stammen. Zur Philosophie gehört auch das soziale Miteinander: „Integration von Menschen mit Behinderungen, Schulbauernhöfe, lebendige Hofgemeinschaften – viele Demeter-Höfe verstehen sich als Orte des sozialen Miteinanders“, sagt Ameli Uhlig von Demeter.
Der anthroposophische Demeter-Verband schreibt auch den Einsatz sogenannter Präparate vor. Hierbei handelt es sich unter anderem um Wirkstoffe, die in geringen Mengen im Wasser verrührt und auf den Feldern ausgespritzt werden. Demeter informiert, das Verfahren werde auch als „Homöopathie für den Boden“ bezeichnet.
Lebensmittelpreise sind undurchsichtig
Die Preise der Produkte sind sehr unterschiedlich, richtig rational erklärbar sind sie nicht. Verbraucherschützerin Schautz sagt: „Wie genau die Preise zustande kommen, weiß nur der Einzelhandel selbst. Möglicherweise handelt es sich um eine Mischkalkulation, dass die Demeter-Produkte durch andere Produkte mit höherer Marge finanziert werden.“ Eine Rolle spielten aber wahrscheinlich die hohen Abnahmemengen. Nicht aber die Qualität - so viel steht fest.
Foto: Benjamin Nolte/dpa-tmn