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Literarischer Landgang
Judith Hermann bereiste als aktuelle „Landgang-Stipendiatin“ das Oldenburger Land
Ihr Ur-Urgroßvater war Leuchtturmwärter auf Wangerooge. Die Schulferien verbrachte Judith Hermann bei der Großmutter in Horumersiel. Seit ihrer Kindheit ist der Berlinerin das Oldenburger Land vertraut. Als diesjährige Stipendiatin des „Literarischen Landgangs“ besah sie die Region mit ganz neuem Blick – aus der Perspektive der Schriftstellerin.
25. September 2019
Mit Judith Hermann holt das Projekt Literarischer Landgang nun schon zum fünften Mal hochkarätige Schriftsteller ins Oldenburger Land, um über die Region und ihre Menschen zu schreiben. Gemeinsam vom Literaturbüro Oldenburg und der Kulturstiftung Öffentliche Oldenburg initiiert, umfasst das Projekt ein Reisestipendium und eine anschließende Lesereise, auf der das literarische Ergebnis der Erkundungstour der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Das Konzept ist, zugleich einen deutlichen Akzent in der bundesweiten Literaturförderung zu setzen und die Region in der zeitgenössischen Literatur abzubilden. Unter den Eigenvorhaben der Kulturstiftung ist der Literarische Landgang das jüngste Projekt. „Die Idee hat sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt, das Publikum wächst“, betont Jürgen Müllender für den Vorstand der Kulturstiftung Öffentliche Oldenburg.
Vom 16. bis zum 22. September war Judith Hermann unterwegs. Ausgestattet mit allerlei touristischem Informationsmaterial, startete sie in Wilhelmshaven. Von dort aus ging es nach Jever, Westerstede, Cloppenburg, Delmenhorst, Nordenham und Oldenburg. „Es ist doch ein großer Luxus, so eine Art von Expedition machen zu dürfen und eigentlich auch eine verrückte Idee, auf diese Weise ein Land zu bereisen“, erzählt sie, „Einerseits hat man die Freiheit, zu tun und zu lassen, was man will, andererseits braucht man irgendeine Richtung“. Die Stipendiatin unternahm die Tour nicht allein, sondern gemeinsam mit dem Grafiker und Zeich ner Andreas Reiberg, der im Wangerland lebt. Als Leitfaden, soviel darf verraten werden, wählten die Beiden das Buch „Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg“ von Ludwig Strackerjan aus dem Jahr 1867. Manchen Menschen begegneten sie unterwegs zufällig, andere trafen sie gezielt, führten sogar Interviews. Während der Zeichner hier und da skizzierte, machte sich die Autorin Notizen. Mal trafen ihre Beobachtungen zusammen, mal gewannen sie denselben Ansichten ganz unterschiedliche Seiten ab. Aus dieser künstlerischen Kommunikation kann eine Art „Reiselogbuch“ entstehen, in dem sich Text und Bild Text dialogisch ergänzen.
In welche Form Judith Hermann ihre Eindrücke schließlich bringen wird, werden wir im Juni 2020 erfahren. Dann wird die Autorin zusammen mit Monika Eden, der Leiterin des Literaturbüros Oldenburg, ihren Text an den bereisten sieben Orten präsentieren. „So wird die Literatur, die in der Region entstand, in selbige zurück getragen. Wie auch die Lesungen bisheriger Stipendiaten werden ihre Beobachtungen so manchen Ortskundigen einen ganz neuen Blick auf das vermeintlich Bekannte eröffnen“, so Monika Eden, „humorvoll oder auch kritisch wird den Zuhörern ein Spiegel vorgehalten“. Vielleicht wird sich der ein oder andere, der Judith Hermann und Andreas Reiberg auf ihrer Reise begegnet ist, im Text oder sogar in einer Zeichnung wiederentdecken.
Judith Hermann wurde 1970 in Berlin geboren. Sie studierte zunächst Germanistik und Philosophie und war dann als Journalistin unterwegs. 1998 wurde sie mit ihrem Debüt „Sommerhaus, später“ schlagartig berühmt. 2003 schrieb sie den Erzählungsband „Nichts als Gespenster“, aus dem Einzelne der Geschichten für das Kino verfilmt wurden. 2009 wurde „Alice“ mit fünf Erzählungen international gefeiert, anschließend erschien der Roman „Aller Liebe Anfang“. Auch in ihrem neuen Buch „Lettipark“ spürt sie in kurzen Geschichten den Rätseln des Lebens nach. Für ihr Werk wurde Judith Hermann mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, darunter dem Kleist-Preis und dem Friedrich-Hölderlin-Preis. Sie lebt in Berlin und Friesland.
Bild: v.l. Judith Hermann, Jürgen Müllender, Monika Eden, Foto: Uwe Schucht