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    Die Eiweiß-Bombe

    In Addrup werden Fliegenlarven gemästet

Auf dem Hof von Cle­mens und Ju­lius gro­ße Ma­cke ar­bei­tet seit ei­ni­gen Mo­na­ten ei­ne Pi­lot­an­la­ge für die Lar­ven­mast. In ihr ent­steht ein hoch­wer­ti­ges Ei­weiß­pro­dukt für Fut­ter­mit­tel. Ein Land­wirt, ein Start-up und zwei Stall­aus­rüs­ter wol­len Fut­ter­mit­tel um­welt­freund­li­cher und nach­hal­ti­ger pro­du­zie­ren.

25. Juli 2024

Nie­der­sach­sen ist ei­ne Hoch­burg in der Schwei­ne­mast. Nie­der­sach­sen ist ei­ne Hoch­burg in der Ge­flü­gel­mast. Und wenn es nach den Plä­nen ei­ni­ger in­no­va­ti­ver Vor­rei­ter geht, könn­te Nie­der­sachsen viel­leicht auch ein­mal Hoch­burg in der Mast von Flie­gen­lar­ven sein. Ja, rich­tig ge­le­sen: ge­mäs­tet wer­den sol­len in gro­ßem Stil Flie­gen­lar­ven.

Nach­hal­ti­ge Nähr­stoff­quel­le

Bild: Vor einer Klimakammer (von rechts): Clemens große Macke mit einer kleinen Box Larven, Julius große Macke mit gemästeten Larven und Maximilian Pommerehne mit den zu Pellets gepressten Futterbreiresten, Foto: Klaus-Peter Jordan
Be­such auf dem Hof der Fa­mi­lie gro­ße Ma­cke in 49632 Es­sen-Ad­drup (Kreis Clop­pen­burg). Hier lässt sich an ei­nem son­ni­gen Vor­mit­tag ei­ne Hand­voll von Land­wirt­en und Land­wir­tin­nen die Mast der Flie­gen­lar­ven vor­füh­ren. Viel­leicht ein neu­es Ge­schäfts­mo­dell vor dem Hin­ter­grund der im­mer schwie­ri­ger wer­den­den kon­ven­tio­nel­len Tier­mast? Cle­mens und sein Sohn Jus­tus gro­ße Ma­cke be­trei­ben auf ih­rem Hof seit ei­ni­gen Mo­na­ten ei­ne Pi­lot­an­la­ge für die Flie­gen­lar­ven­mast – oder „Show-An­la­ge“, wie der Se­nior sie nennt. Da­für ha­ben sie vor knapp ei­nem Jahr auch ei­ne ei­ge­ne Fir­ma ge­grün­det: Lar­vae So­lu­tions GmbH. Die Idee ist, „In­sek­ten als nach­hal­ti­ge Nähr­stoff­quel­le zu etab­lie­ren“, heißt es auf der neu­en Home­pa­ge des jun­gen Un­ter­neh­mens. 

Bild: Die Entwicklung: Fliegenlarven (oben links) werden gemästet (oben rechts). Der trockene Rest Futterbrei (unten rechts) wird zu Pellets gepresst (unten links), Foto: Klaus-Peter Jordan
Fünf Jah­re zu­rück. Cle­mens gro­ße Ma­cke und sei­ne Frau sind auf ei­ner Agrar­rei­se in Süd­ame­ri­ka. „Da ha­ben wir ge­se­hen, was in punk­to Nach­hal­tig­keit mög­lich ist.“ Die Lo­gik geht so: Nutz­tie­re brau­chen in der Mast viel ei­weiß­hal­ti­ges Fut­ter. Das kommt der­zeit vor­ran­gig auf lan­gen Trans­port­we­gen in Form von So­ja von an­de­ren Kon­ti­nen­ten. Dort wer­den für den So­ja­an­bau nicht sel­ten Re­gen­wäl­der ab­ge­holzt. Auf der an­de­ren Sei­te: Gro­ße Men­gen Le­bens­mit­tel und Res­te in der Le­bens­mit­tel­pro­duk­tion lan­den täg­lich als Ab­fall auf dem Müll – ei­ne rie­si­ge Ver­schwen­dung. Dar­aus ent­stand die Idee, ei­weiß­hal­ti­ge Fut­ter­mit­tel dort zu pro­du­zie­ren, wo sie ge­braucht wer­den und da­für Ab­fall­pro­duk­te aus der Re­gion ein­zu­set­zen. Aber wie?

Die Schwar­ze Sol­da­ten­flie­ge

Noch ein­mal fünf Jah­re zu­rück, wie­der ins Jahr 2019. Da wird in Mün­chen ein Start-up ge­grün­det: Farmin­sect. Das hoch­ge­steck­te Ziel der In­no­va­to­ren: „In zehn Jah­ren wol­len wir So­ja- und Fisch­mehl in der EU kom­plett er­set­zen.“ Die Mög­lich­keit hier­für sieht man da­rin, dass seit 2017 In­sek­ten als Fut­ter­mit­tel in der EU zu­ge­las­sen sind. Ein In­sekt, das für die Ei­weiß­pro­duk­tion prä­des­ti­niert ist: die Schwar­ze Sol­da­ten­flie­ge (Hermetica illucens). Ih­re Lar­ven kön­nen ex­trem ef­fek­tiv ge­mäs­tet wer­den.

Wie, das er­klärt den Land­wir­ten auf dem Hof von gro­ße Ma­cke Maxi­mi­lian Pom­mer­ehne, Ver­kaufs­ma­na­ger bei Farm­insect.
Bild: In solchen Boxen werden die Fliegenlarven in der Klimakammer sieben Tage lang gemästet, Foto: Klaus-Peter Jordan
„Die Jung­lar­ven wer­den in ei­nen Fut­ter­brei ge­setzt und ar­bei­ten sich in ei­ner Kli­ma­kam­mer bei mol­li­gen 30 Grad Celsius in sie­ben Ta­gen durch die­sen Brei hin­durch, sau­gen ihn auf. Und in die­ser ei­nen Wo­che steigt das Ge­wicht ei­ner Lar­ve um das 250-fa­che“ – sie wird zu ei­ner wah­ren Ei­weiß-Bom­be. „Für den Fut­ter­brei nut­zen wir güns­ti­ge agrar­ische Rest­stof­fe wie Wei­zen­kleie und Kar­tof­fel­schlem­pe“, be­rich­tet Cle­mens gro­ße Ma­cke. Aber es ge­be auch Ver­su­che mit an­de­ren Ab­fall- oder Rest­stof­fen aus der Le­bens­mit­tel­pro­duk­tion, et­wa Äp­fel, Pil­ze, Kohl.

Eine Anlage – drei Komponenten

Bild: Clemens große Macke erkklärt seine Pilotanlage, Foto: Klaus-Peter Jordan
Ei­ne An­la­ge zur Lar­ven­mäs­tung be­steht im We­sent­li­chen aus drei Kom­po­nen­ten, die bei gro­ße Ma­cke in ei­ner neu­ge­bau­ten Hal­le un­ter­ge­bracht sind: der Fut­ter­kü­che, wo der Mast­brei an­ge­mischt wird, den Kli­ma­kam­mern, bei gro­ße Ma­cke sind es zwei, und ei­ner Ro­bo­ter­ein­heit, die die Lar­ven trans­port­fer­tig macht, wenn sie aus der Kli­ma­kam­mer kom­men. Die An­la­gen lie­fern die bei­den Stall­aus­rüs­ter Big Dutchman aus Vech­ta-Cal­ves­la­ge (Fut­ter­kü­che und Kli­ma­kammern) und Skov aus Dä­ne­mark (Ro­bo­ter­ein­heit).

In der Ro­bo­ter­ein­heit wer­den die Lar­ven auch von ih­rem Rest-Fut­ter­brei, der nun voll­kom­men tro­cken ist, ge­trennt. „Die­ser tro­cke­ne Rest eig­net sich her­vor­ra­gend als Gar­ten­dün­ger“, weiß gro­ße Ma­cke, zum Bei­spiel in Form klei­ner Pel­lets. Und da­mit ist er beim The­ma Ver­mark­tung. Als Haupt­ab­neh­mer für die er­zeug­ten Ei­weiß-Bom­ben ha­ben er und Farm­insect der­zeit die Heim­tier-Fut­ter­mit­tel­bran­che aus­ge­macht. Die sucht nach Ei­weiß-Al­ter­na­ti­ven für So­ja und Fisch­mehl. Und die tro­cke­nen Rest­stof­fe könn­ten gut et­wa an Gar­ten­bau­be­trie­be ver­kauft wer­den.

Hohe Investitionskosten

Für die in­te­res­sier­ten Land­wir­te an die­sem Vor­mit­tag hat Pom­mer­ehne von Farm­insect noch ein paar be­ein­dru­cken­de Zah­len pa­rat. In ei­ne Kli­ma­kam­mer pas­sen 24 Pa­let­ten mit je­weils 13 Bo­xen. In je­der Box fres­sen sich 80.000 Flie­gen­lar­ven durch den Fut­ter­brei, macht knapp 25 Mil­lio­nen ge­mäs­te­te Lar­ven pro Wo­che oder 150 Ton­nen Ei­weiß-Bom­ben pro Jahr und Kli­ma­kam­mer. Na­tür­lich gibt es ei­ne sol­che An­la­ge nicht um­sonst, die In­ves­ti­tio­nen sind er­heb­lich. Prei­se wer­den an die­sem Vor­mit­tag nicht ge­nannt, dürf­ten aber im hö­he­ren sechs­stel­li­gen Eu­ro­be­reich lie­gen, je nach­dem, wie­viel Kli­ma­kam­mern in ei­ner An­la­ge ste­hen. Von Pom­merehne er­fährt man da­zu nur so viel: Ab fünf Kli­ma­kam­mern soll­te sich ei­ne Mast­an­la­ge rech­nen.

Für Clemens gro­ße Ma­cke, ehe­ma­li­ger nie­der­sächsi­scher Land­tags­ab­ge­ord­ne­ter (CDU), der mit sei­ner Fa­mi­lie selbst ei­nen 24-Hek­tar-Hof mit öko­lo­gi­scher Le­ge­hen­nen­hal­tung in Ad­drup be­treibt, wer­den mit der Flie­gen­lar­ven­mast – wenn das Wort­spiel er­laubt ist – gleich meh­re­re Flie­gen mit ei­ner Klap­pe ge­schla­gen. Ers­tens: Kreis­lauf­wirt­schaft. Aus Nah­rungs­mit­tel­ab­fäl­len wer­den Fut­ter­mit­tel mit de­nen wie­der Nah­rungs­mit­tel pro­du­ziert wer­den. Zwei­tens: Re­gio­na­li­tät. Re­gio­nal ein­ge­sam­mel­te Rest­stof­fe werd­en von Land­wir­ten aus der Re­gion für die Lar­ven-Fut­ter­mit­tel­pro­duk­tion ein­ge­setzt. Die­se Fut­ter­mit­tel wer­den wie­de­rum so­weit wie mög­lich re­gio­nal ver­mark­tet. „Wir hal­ten die Wert­schöp­fungs­ket­te in der Re­gion“, so gro­ße Ma­cke. Drit­tens: Um­welt­schutz/Nach­hal­tig­keit. We­ni­ger teils um­welt­schä­di­gen­der So­ja­ein­satz und Ver­mei­dung lan­ger Trans­port­we­ge.

Noch Probleme zu lösen

Den der­zei­ti­gen For­schungs­stand der Lar­ven­mast be­schreibt gro­ße Ma­cke so: „Wir sind aus den Kin­der­schu­hen raus.“ Pro­ble­me gibt es aber auch noch ge­nug. Der Stand der Au­to­ma­ti­sie­rung ist noch nicht aus­rei­chend. „Der­zeit fal­len noch acht bis zehn Stun­den mensch­li­che Ar­beits­zeit pro Tag und Kli­ma­kam­mer an“, weiß der 65-Jäh­ri­ge. Zu viel. Wün­schens­wert wä­re au­ßer­dem, dass die Ein­satz­pa­let­te der Rest­stof­fe für den Nähr­brei grö­ßer wird. Hier­an wird ge­forscht. Und das größ­te Pro­blem: Die Mast er­for­dert ei­nen ho­hen Ener­gie­ein­satz. Wenn auf dem End­pro­dukt wirk­lich das La­bel „um­welt­freund­lich/nach­hal­tig“ kle­ben soll, müss­te die not­wen­di­ge Ener­gie aus er­neuer­ba­ren Quel­len kom­men. Land­wir­te den­ken da­bei na­tür­lich zu­erst an Bio­gas.

Für die Land­wir­te, die sich an die­sem Vor­mit­tag über ei­ne Al­ter­na­ti­ve für ih­ren Hof in­for­mie­ren und teil­wei­se da­für 150 Ki­lo­me­ter an­ge­reist sind, stel­len sich aber noch wei­te­re Fra­gen, et­wa nach der Ver­mark­tung, dem Fut­ter­mit­tel­ein­satz, den Ener­gie­kos­ten, wahr­schein­lich not­wen­di­gen Bau­ge­neh­mi­gun­gen, In­ves­ti­tions­vo­lu­mi­na und Fi­nan­zie­rungs­mög­lich­kei­ten für ein sol­ches Vor­ha­ben.

„Für Idee brennen“

Cle­mens gro­ße Ma­cke räumt ein, dass er auch nicht sa­gen kön­ne, wo die Rei­se der Lar­ven­mast-Idee ein­es Ta­ges en­det. „Ich hof­fe na­tür­lich, dass wir in drei Jah­ren sa­gen kön­nen: Es war der rich­ti­ge Weg.“ Was er aber si­cher sa­gen kön­ne: „Land­wir­te, die die­sen Weg mit­ge­hen wol­len, müs­sen für die­se Idee bren­nen.“

Bild: Von der Robotereinheit werden die gemästeten Larven vollautomatisch versandfertig gemacht, Foto: Klaus-Peter Jordan

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